"Die Verfassung, die wir haben […] heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist." So definierte der griechische Staatsmann Perikles (ca. 500 – 429 v. Chr.) die Demokratie im Athen seiner Zeit. Diese Bestimmung von Demokratie als einer Mehrheitsherrschaft scheint so klar und eindeutig zu sein, dass sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts dem Entwurf einer Europäischen Verfassung als Motto vorangestellt wurde.
Aber der Eindruck der Eindeutigkeit täuscht. Dass Demokratie eine Verfassungsform ist, in der es auf die Mehrheit ankommt, mag noch relativ unumstritten sein. Doch schon die Frage, wie diese Mehrheit die Herrschaft ausüben soll, führt zu sehr unterschiedlichen Auffassungen und Formen der Demokratie. Soll die Mehrheit ihre Herrschaft direkt, durch Versammlungen und Abstimmungen, oder indirekt, durch Bestellung von Vertretern, ausüben?
Auch der Rückgriff auf den griechischen Wortursprung, nach dem demos "Volk" und kratein "herrschen" bedeutet, bringt hier keine Klarheit. Denn er sagt nicht, ob die Herrschaft des Volkes unmittelbar oder mittelbar ausgeübt werden soll. Genauso lässt er offen, ob die Herrschaft des ganzen Volkes gemeint ist oder ob es reicht, wenn eine qualifizierte Mehrheit des Volkes herrscht – wobei sich zusätzlich die Frage stellt, was mit der Minderheit geschieht.
Fraglich ist außerdem, ob in der Demokratie alle Bürgerinnen und Bürger umfassend und zu jeder Zeit am Beratungs-, Entscheidungs- und Ausführungsprozess der Politik beteiligt werden müssen und sollen oder ob das Geschäft der Politik arbeitsteilig unternommen werden kann, indem einige wenige beraten und entscheiden, das Volk aber vor allem bei Wahlen – und bisweilen bei Sachabstimmungen – beteiligt wird.
Die Definition des Perikles, so eingängig sie zunächst erscheinen mag, ist also erst der Auftakt zu einer Diskussion über sehr unterschiedliche Begriffe, Modelle und Praktiken der Demokratie. Nicht von ungefähr stellte deshalb schon der Philosoph Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. fest: "Jetzt aber meinen einige, es gäbe bloß eine Demokratie […], doch das ist einfach nicht wahr."
Ungeachtet dessen entfaltete die Idee der Demokratie bis in die Gegenwart große Attraktivität. In Wellen breitete sie sich über die Welt aus – wenngleich sie auch nicht überall und nicht jeweils gleich stark und stabil etabliert werden konnte. Die erste Demokratisierungswelle begann in den 1820er-Jahren und dauerte bis etwa 1926. In diesem Zeitraum bildeten sich 29 Demokratien.
Mit dem Faschismus in Italien setzte eine rückläufige Entwicklung ein, die die Zahl der Demokratien vorübergehend auf zwölf reduzierte. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg bewirkte eine zweite Demokratisierungswelle, dass in den 1960er-Jahren 36 Demokratien entstehen konnten.
Und in einer dritten Welle der Demokratisierung zwischen 1974 und 1990 gelang etwa 30 weiteren Staaten der Übergang zu Formen demokratischer Herrschaft. Nicht zuletzt die friedlichen Revolutionen von 1989/90 in Mittel- und Osteuropa trugen zu diesem Trend erheblich bei.
Schließlich ließ das als "Arabischer Frühling" oder "Arabellion" bezeichnete Aufbegehren breiter Bevölkerungskreise – vor allem in Tunesien, Ägypten, Libyen und Marokko – die Hoffnung auf eine neue, vierte Welle demokratischer Umformung diktatorischer bzw. autoritärer Staaten aufkommen. Die entsprechenden Ansätze in diesen Ländern entwickelten sich allerdings sehr unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. Sie konnten nicht alle wirklich demokratisch genannt werden. Vielerorts wurden Demokratisierungsprozesse wieder gestoppt oder durch neue autoritäre Regierungsformen ersetzt.
Diese Beispiele verdeutlichen ebenfalls, dass es kein einzig wahres – gar "universell" zu nennendes – Modell der Demokratie gibt bzw. je gegeben hat. Vielmehr unterscheiden sich die Demokratien in ihrer historischen, sozialen und kulturellen Ausprägung genauso wie in ihren jeweiligen Voraussetzungen, Bedingungen und demokratischen Gehalten.
Darüber hinaus zeigen diese und andere Entwicklungen, dass die demokratische Regierungsform keineswegs immer so robust ist, dass sie alle Herausforderungen, Erschütterungen und Krisen zu überstehen vermag. Demokratien können scheitern oder so viel an demokratischem Gehalt verlieren, dass sie diese Bezeichnung kaum noch verdienen.
Der Begriff der Demokratie taucht erstmals im antiken Griechenland des 5. Jahrhunderts v. Chr. auf. Zu den ältesten Belegen gehört die Feststellung des Geschichtsschreibers Herodot (484 – 425 v. Chr.), dass Kleisthenes die demokratia in Athen eingeführt habe. Dort durchlebte die antike, klassische Demokratie von 508/507 bis 322 v. Chr. ihre Blütezeit mit weitgehender Selbstregierung der athenischen Bürgerschaft.
Doch bereits zu dieser Zeit stieß die Demokratie auch auf heftige Kritik. Vor allem Vertreter der griechischen Philosophie, wie Platon (427 – 347 v. Chr.) und Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), begegneten ihr mit großer Zurückhaltung. Sie setzten die Demokratie mit "Pöbelherrschaft" gleich, mit einer Herrschaft der armen, ungebildeten Masse, und der Demokratiebegriff blieb danach für viele Jahrhunderte überwiegend negativ besetzt.
Erst in der Neuzeit, besonders im Zuge der Amerikanischen und Französischen Revolution im 18. Jahrhundert, gewann der Demokratiebegriff wieder einen positiven Bedeutungsgehalt. Unter dem Eindruck der Revolution von 1848 bemerkte beispielsweise der französische Politiker und Philosoph François Guizot (1787 – 1874), die Demokratie sei zu einem "universellen Begriff" geworden, den nun eine jede Regierung, Partei und Macht auf ihre Fahne schreiben müsse. Denn Demokratie wurde als Herrschaft des Volkes, vor allem als Volkssouveränität begriffen, aus der heraus sich das gesamte politische Gemeinwesen eines Staates begründen und rechtfertigen lassen musste.